So viel Hilfe wie nötig, so wenig wie möglich
Lebenspraktische Fähigkeiten sind Alltagshandlungen, die es einem Menschen ermöglichen, sein Leben selbstbestimmt und unabhängig zu gestalten.
Auch blinde und stark sehbeeinträchtigte Menschen können selbstständig leben. Die Beeinträchtigungen verändern das Erlernen von Alltagsfertigkeiten jedoch erheblich. Wie lernen sehbeeinträchtigte Menschen Wasser ins Glas zu füllen? Und wo und wie räumen sie nach dem Frühstück die Konfitüre und die Butter auf?
Kleinkinder beginnen bereits früh, alltägliche Situationen nachzuahmen. Sie lieben es, Dinge von ihren Eltern zu imitieren. Und wer kennt nicht die Rollenspiele, in denen Kinder die Erwachsenenwelt nachspielen. Dieses Lernen fällt bei sehbeeinträchtigten Kindern weg.
Im Unterricht «Lebenspraktische Fähigkeiten» zeigen unsere Fachpersonen Kindern und Jugendlichen, wie sie ihren Alltag möglichst selbstständig und unabhängig bewältigen. Bereits erworbene Erfahrungen, alle vorhandenen Sinneseindrücke, bei manchen das vorhandene Sehvermögen, werden genutzt, um Begriffe und Handlungsmöglichkeiten zu erlernen und zu erweitern. Auch spezielle Hilfsmittel, wie sprechende Waagen, taktile Messbecher oder das Smartphone, können eingesetzt werden, um den Alltag zu bewältigen.
Bei Kindern mit einer Mehrfachbeeinträchtigung kann das Ziel darin bestehen, Teilschritte eines ganzen Ablaufs selbstständig ausführen zu können.
Vom Aufstehen bis wieder ins Bett gehen führen wir unzählige Handgriffe aus: Wir ziehen uns an, bereiten Kaffee oder Tee zu, holen Butter und Konfi aus dem Kühlschrank und toasten vielleicht eine Scheibe Brot. Nach dem Frühstück putzen wir die Zähne, packen den Rucksack oder die Mappe und gehen zur Schule oder in die Werkstatt und in das Büro. Oder wir erledigen die Hausarbeit.
Die Kinder und Jugendlichen der Blindenschule Zollikofen lernen, wie sie eine warme Milch zubereiten, sich am Esstisch und auf dem Teller orientieren, das Besteck so einsetzen, dass sie ihr Essen schneiden können. Sie wissen, dass T-Shirts zusammengelegt und Kleider aufgehängt werden, die Stifte in ein Etui gehören, wie Betten bezogen und Reinigungsgeräte und -mittel sachgerecht verwendet werden. Sie lernen Ordnungsstrukturen zu Hause, im Kleiderschrank, in der Schultasche. Sie lernen den Umgang mit Schere, Hammer, Schraubenzieher, Klebstoff. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Müesli abmessen, Milch hinzuschütten, den Löffel hineintauchen und das Frühstück geniessen: Das sind lebenspraktische Fähigkeiten, die Kinder und Jugendliche der Blindenschule Zollikofen lernen.