Eine Welt der Spiele
LudothekFussballspiel, Klavierspiel, Machtspiele, Glücksspiel, Rollenspiele, Computerspiel, Brettspiel, Kartenspiel, Denkspiel, Gastspiel. Es gibt verschiedenste Spiele. Und nur ein Wort für sie. Was vereint sie und warum spielen wir?
Die Antwort kann man googeln, ja. Doch Sie lesen diese Story vielleicht grad gemütlich auf dem Sofa oder auf dem Weg zur Arbeit im Bus. Wir wollen ja jetzt kein Bewegungsspiel daraus machen. Deshalb kurz einige Stimmen: «Spiel beginnt ja schon sofort nach der Geburt, wo wir explorativ diese Welt versuchen zu erkunden», sagt zum Beispiel Jens Junge, Spieleentwickler und Leiter des Instituts für Ludologie in Berlin, und fährt fort:
«Wenn wir dann ein bisschen Sprache draufhaben, geht es auch schon los mit den Fantasiespielen. Und durch diese Fantasiespiele sind wir dann in der Lage, Rollenspiele zu spielen, Spielzeug zu greifen, Dinge des Lebens, des Alltags, irgendwie nachzuspielen, zu verarbeiten. Wir haben also ohne das Thema Spiel gar keine Chance, uns dieser Komplexität der Welt und dieser Kultur auch nur zu nähern.» *
Das Spielen ist also eine Voraussetzung für die Entwicklung des Kindes. Das Spielen hilft, die Umwelt zu erobern.
Johan Huizinga, Kulturphilosoph, wagte vor bald 100 Jahren einen Definitionsversuch, den wir hier mit etwas anderen Worten wiedergeben: Spielen muss man nicht, spielen kann man. Dazu braucht es einen formalen Rahmen, innerhalb dessen dann frei entschieden werden kann. Wie auch immer das Spiel endet, es hat keinerlei Auswirkung auf das eigentliche, das wirkliche Leben. Ganz nach dem Motto: Mensch ärgere dich nicht, es ist doch bloss ein Spiel!
Spielen ist nicht nur für Kinder,
das ist eine Ausrede für Spielfaule (Tipps für Spielfaule finden Sie übrigens weiter unten). Die meisten Kinder wünschen sich, häufiger mit ihren Eltern zu spielen. Davon würden die Erwachsenen profitieren, denn mit den spielerischen Beschäftigungen durchbreche man seine streng durchgetakteten Tage. Sagt die Forschung.
Nebst den Kernkompetenzen wie Kommunikation und Kreativität hat Spielen also einen weiteren Vorteil: Abschalten und Entspannen. Als Prophylaxe für psychische Überbelastung. Und: Familien, die viel gemeinsam spielen, sind glücklicher. Sagt eine Studie, doch die Familien, die spielen, werden dies auch ohne Studie bejahen.
Bei der Familie Gerber,
die zu Gast war in der Ludothek, gehört das Spielen zum Alltag. Ob auf der Verkehrs-beruhigten Quartierstrasse, ob beim Ausflug in den Wald, ob am Küchentisch, ob im Wohnzimmer. Das mit Gymnastikmatten, Klettergerüst, Turnringen und Therapieschaukel zum Spielparadies umfunktioniert wurde. In Pfützen Hüpfen, Brettspiele, Kartenspiele, auf Mauern klettern, im Wald den Bunker Erkunden. Immer an vorderster Front mit dabei: Alessio, 8-jährig, Schüler der Blindenschule Zollikofen. Seine Sehleistung beträgt noch 20 Prozent, was den 8-Jährigen nicht hindert, zusammen mit seiner Schwester Nevia auf dem Velo komplizierte Parcours zu fahren.
Am langen Holztisch in der Ludothek empfängt Sophie Wilmsmeier, die Spiele-Expertin der Blindenschule. Alessio kniet sofort vor dem Tisch, zieht Spiele aus dem Unterbau und zeigt sie seinem Vater. Er kennt sich hier aus. «Ganze Klassen oder auch einzelne Schülerinnen und Schüler kommen hierher», erklärt Sophie Wilmsmeier. Sei es, um den Unterricht mit einem Spiel passend zum Thema aufzulockern, sei es, um quirlige Schülerinnen abzulenken und einen Ort der Ruhe zu schaffen.
Sophie Wilmsmeier empfängt auch Spielebegeisterte von auswärts und findet aus 1000 Spielen das richtige für jeden Wunsch heraus, ob für Blinde, Sehbeeinträchtigte oder Menschen mit mehrfacher Beeinträchtigung. Viele Spiele sind taktil oder mit Braille adaptiert. Einige sogar in der hauseigenen Werkstatt hergestellt. Das Lieblingsspiel von Alessio ist schnell gefunden: Da ist der Wurm drin. Die Familie spielt es mehr als einmal pro Tag.
Mehrere Stunden verbringen wir im Spielparadies. Ein Spiel nach dem andern wird durchgespielt, sogar das neueste Spiel: Rutsch & Flutsch!, eine Kombination aus Memory und Geschicklichkeit. Es könnte das neue Lieblingsspiel werden.
Sophie Wilmsmeier, Ludothekarin, empfiehlt für ...
Grössere Gruppen:
Agent undercover, Familien-EditionEin Geheimagent versteckt sich unter Menschen an einem vordefinierten Ort, doch wer ist es? Das versucht der Grossteil der Gruppe durch geschickte Fragen herauszufinden. Der Geheimagent wiederum möchte wissen, wo er sich denn eigentlich befindet.
Zu zweit:
4mation - Eine Weiterentwicklung von Vier gewinnt.Der neue Kniff? Es muss am letzten gegnerischen Stein angebaut werden. Dadurch wird das Spiel taktischer und gemeiner, denn man kann den Gegenspieler zu gewissen Zügen zwingen!
Spielerinnen, die meinen, schon alles zu kennen:
BrückenspielDer Weg zum Ziel ist nicht immer frei, denn nicht nur die Spielfiguren bewegen sich, auch die Brücke verschiebt sich je nach Würfelwurf. Dieses Spiel wurde für Blinde und Sehbeeinträchtigte entwickelt und ist schon etwas älter. Wer sich also nicht schon lange Spielen auseinandersetzt, wird es wahrscheinlich nicht kennen.
Spielfaule:
HiloAm wenigsten Karten und die tiefsten Zahlenwerten vor sich. Das ist das Ziel dieses kurzweiligen Kartenspiels, dessen Fokus eher auf dem Glück liegt als auf taktischem Geschick und langem Nachdenken.