«Elea hat uns eine neue Welt eröffnet»
Familienkurs - ein Angebot für ElternIn dieser Geschichte soll es einmal nicht um das Kind gehen. Nicht nur. In dieser Geschichte geht es um die Familie drumherum. Eine grosse, sechsköpfige Familie. Eine ganz normale Familie. Eleas Familie. Da ist Jorel, der Bruder, mit bald zehn Jahren der älteste der Geschwister. Stolz darauf, dass er soeben zum ersten Mal ganz allein im Zug von Basel nach Bern gefahren ist. Er hat dafür extra ein Handy bekommen. Da ist Janic, eineinhalb Jahre jünger. Janic hat viele Wünsche. Einer davon war kurz nach der Geburt Eleas: Dass Elea einmal sagen kann, was ihre Lieblingsfarbe ist. Und Anine, knapp sechs Jahre alt, die es liebt, mit ihrer kleinen Schwester Musik zu hören und zu tanzen. Und die weiss: «Elea sieht nicht, aber sie hört viel besser als ich.» Warum sie das weiss? «Wenn ich mit Kopfhörern Musik höre, tanzt Elea neben mir.»
«Wir sind nicht eine spezielle Familie, wir sind eine unter vielen»
Natürlich geht es in dieser Geschichte um Elea. Auch wenn sie meinen Besuch verschläft. Der Mittagsschlaf war ausgefallen und die Augen fielen irgendwann trotzdem zu. Mitten im Getümmel liegt sie gebettet in ihrem Reich. Im elterlichen Schlafzimmer, das eher dem Wohnzimmer des familiären Geschehens gleicht. Auch heute. Die Jungs spielen auf ihren Konsolen, liegend auf dem Bett. Anine kocht mit ihrem Vater das Essen in der Küche gleich nebenan. Es ist der erste Tag der Frühlingsferien. Pläne werden geschmiedet. Im Wald übernachten steht auf dem Wunschprogramm. Eine ganz normale Familie. «Ganz normal ist es», sagt Janic, wenn er auf seine Schwester angesprochen wird. «Sie ist überhaupt nicht arm», verteidigt Jorel Elea auf dem Pausenplatz.
«Elea lernt uns, die Welt anders zu sehen»
Elea kam vor zweieinhalb Jahren auf die Welt. Noch bevor Julia Blum ihre Tochter in den Arm nehmen konnte, kam ein Arzt zu den Eltern und sagte, es gehe um eine ernste Sache ... «In diesem Moment ist in mir eine Welt zusammengebrochen. Die Erleichterung kam, als er im nächsten Satz sagte, dass bei Elea ‚nur‘ ein Auge vorhanden ist.» Erleichtert, dass sie keine lebensbedrohenden Erkrankungen hatte. Auf dem anderen Auge wurde Grauer Star festgestellt. Trotz mehrerer Operationen konnte das zweite Auge nicht gerettet werden. Dieser Befund hat den Alltag der Familie auf den Kopf gestellt. «Die Zeit zu Anfang war scheinbar unendlich und intensivst für die ganze Familie», sagt Julia Blum heute. «Elea hat uns aber gleichzeitig eine neue Welt eröffnet. Sie verzaubert uns immer wieder von Neuem. Sie lernt uns, die Welt anders zu sehen. Dafür sind wir Elea zutiefst dankbar.»
Im letzten Spätsommer hatte die ganze Familie Blum die Möglichkeit, sich mit anderen Familien in gleichen Lebenssituationen auszutauschen. Einblick in den Alltag von Familien zu erhalten, die ähnliche Herausforderungen zu meistern haben. Und vor allem die Gelegenheit, selber von Herausforderungen zu erzählen: im Familienkurs der Blindenschule Zollikofen.
Das bietet der Familienkurs
Einmal im Jahr bietet die Blindenschule der ganzen Familie eines beeinträchtigten Kindes eine Auszeit und Austausch mit jeweils bis zu acht weiteren Familien auf dem Gelände der Blindenschule an. Mitarbeitende der Blindenschule sind jeweils auch dabei. «Der Austausch mit anderen Familien wie auch die Möglichkeit, Fachleuten der Blindenschule ganz informell Fragen zu stellen, waren unschätzbar wertvolle Erfahrungen für unsere Familie», sagt Alain Blum. War bisher die Blindenschule zu ihnen nach Hause gekommen, um Elea zu fördern, lernten sie die Institution nun von innen kennen. «Eine grosse Inspiration für mich war der Musiker Alexander Wyssmann», erinnert sich Alain Blum. Wyssmann, selber im jungen Erwachsenenleben erblindet, unterrichtet heute an der Blindenschule. «Er zeigt ganz selbstverständlich, wie zufrieden ein Erwachsener sein kann, der nichts sieht.» Eine der wertvollsten Erfahrungen.